Belastungsversuche

Erik Meichsner Artikel veröffentlicht: 17.08.2018

Mit Belastungsversuchen an Brücken und Hochbauten entlocken wir den Tragwerken Reserven, die mit einer rechnerischen Nachweisführung nicht möglich sind. 

Belastungsversuche und Nachrechnung von Bauwerken

Ingenieure abstrahieren die Realität in vereinfachten Modellen, um diese rechnerisch bewerten zu können. Neben den Vereinfachungen sind zusätzlich viele Annahmen zu treffen, die meist auf der sicheren Seite liegen. Diese Vorgehensweise hat sich für die Planung und die Konstruktion von neu zu errichtenden Tragwerken seit über 200 Jahre bewährt.

Für die Bewertung bestehender Bauwerke hat sich allerdings gezeigt, dass Unkenntnisse über das Innenleben der Tragwerke zu konservativen Modellen und Annahmen führen und eine Nachrechnung oft erfolglos ist. Für die Bewertung von Bestandstragwerken hat sich deshalb die experimentell gestützte Nachweisführung etabliert. Die Bewertung erfolgt durch gezielt aufgebrachte Einwirkungen direkt am Patienten und die messtechnische Erfassung und Auswertung der Bauwerksreaktionen. Mit den experimentell ermittelten Werten können die theoretischen Modelle oder Rechenannahmen verbessert und die Tragsicherheit zuverlässiger bewertet werden. Die verbesserten Erkenntnisse lassen uns Tragreserven erschließen, mit denen aufwändige Verstärkungen oder gar ein Ersatzneubau vermieden werden kann.

Belastungsversuch an der EÜ Aller bei Verden

Mit der Einführung der Richtlinie des DAfStb für Belastungsversuche 2001 wurde die rechtliche Grundlage dafür geschaffen, ergänzend zu den rechnerischen Nachweisen der Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit Belastungsversuche zur Bestimmung der Tragsicherheit bestehender Massivbaukonstruktionen durchzuführen.

Die Durchführung von experimentellen Tragsicherheitsbewertungen ist nicht zu verwechseln mit dem früher oft eingesetzten Traglastversuch, bei dem versucht wurde, ob das Bauwerk einer aufgebrachten Last standhält und dies das einzige Ergebnis des Versuches war.

Heute kommt eine hochmoderne hydraulische Belastungstechnik in Kombination mit online-Überwachung durch Messtechnik zum Einsatz, um auch die kleinsten Tragwerksreaktionen frühzeitig erfassen zu können und dem Bauherrn größtmögliche Sicherheit zu garantieren.

Belastungsversuche an Brücken

Belastungsversuche waren früher und sind in einigen Ländern auch heute noch ein obligatorischer Teil der Inbetriebnahme von Brücken. Der große Aufwand ist jedoch für neue Bauwerke nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt.

Belastungsversuche an Brücken haben typischerweise folgende Aufgabenstellungen:

  • Nachweis gemäß Nachrechnungsrichtlinie Stufe 3 als Systemmessung und für die Kalibrierung von theoretischen Modellen
  • Ermittlung von statischen oder dynamischen Eigenschaften des Bauwerks (Durchbiegungen, Verdrehungen, Längenänderungen, Schwingungsverhalten, usw.)
  • Bremslastversuche an langen Eisenbahnbrücken
  • Dynamische Belastungsversuche mit verschiedenen Erregern (z.B. Fallgewichte, Schwingungserreger, Belastungsfahrten)
  • Nachweis einer ausreichenden Tragsicherheit ggü. einer definierten Einwirkung
  • Versuche bis zum Bruch, Tragverhalten oberhalb charakteristischer Lasten, Tragverhalten im nicht-linearen Bereich

Als Belastungserreger sind zahlreiche Systeme, je nach Aufgabenstellung möglich:

  • Hydraulische Pressen und Dynamischer Schwingungserreger
  • Gezielte Verkehrslasten (Straßenfahrzeuge mit hohen Lasten oder verwogene Schotterzüge)
  • Spezielle Belastungsfahrzeuge (BelFa)

Für die Erfassung der Messgrößen verwenden wir Sensor- und Messtechnik aus unseren Monitoringequipment und setzen zusätzliche Vermessungstechnik aus der Geodäsie ein.

Belastungsversuch auf der Stöbnitztalbrücke zur Überprüfung des Tragverhaltens unter Verkehr
Belastungsversuch an der Itztalbrücke zur Ermittlung der Unterbausteifigkeiten

Belastungsversuche im Hochbau

Belastungsversuche haben heute wieder einen großen Stellenwert als anerkannter alternativer Tragsicherheitsnachweis, mit welchem der Fortbestand und die zweckmäßige Nutzung von Bestandsbauwerken gesichert werden kann. Erforderliche Sanierungs- und Verstärkungsmaßnahmen können im Hochbau ebenso auf das notwendige Maß beschränkt werden. Auf der Grundlage der DAfStb-Richtlinie für Belastungsversuche konnten wir in den letzten 20 Jahren die Tragsicherheit vieler bestehender Bauwerke experimentell nachweisen und damit einen entscheidenden Beitrag zur Erhaltung bestehender Bausubstanz leisten.

Probebelastung mit Behelfsrahmen an Decken und horizontalen Konstruktionsbauteilen

Typische Anwendungsfälle sind

  • Umnutzung von Gebäuden mit künftig höheren Ausbau- und Nutzlasten
  • Nachweis bei unzureichenden Bestandsunterlagen
  • Beurteilung der Auswirkung von Schädigungen (z. B. nach Brandereignissen, Hochwasser)
  • Bewertung historischer Bauteile und Sonderbauten (z.B. Kahneisen-, Koenen’sche- Leichtstein-, Pohlmann-, Victoria-Decken, Gussbauteile usw.)
Belastungsversuch an einer gekrümmten Treppe im Kurhausbad Bad Kissingen
Deckenbelastungsversuch
Probebelastung im Neuen Palais Potsdam
Einsatz der Fotogrammetrie bei Probebelastungen an Stahlbetonträgern

Informieren Sie sich über unsere Projekte

Grubentalbrücke

Staatliches Kurhausbad Bad Kissingen

Saale-Elster-Talbrücke